Volle Kraft voraus!
Überbordendes Kreuzfahrt-Kabarett mit mindestens vierzig Knoten und hundert Hits.
kabarett.at 10/2010
Vorweg mal das Negative. Keine Sorge, ist gleich vorbei : Die Akkorde zum „Kriminaltango“ gehören noch etwas geübt. Und in der Pause möge die von der angemessenen Aufgeheiztheit des Saals in Mitleidenschaft gezogene Gitarre bitte frisch gestimmt werden. Das war’s auch schon wieder.
Denn was Mike Supancic mit seinem Traumschiff vorlegt, ist überbordendes Musikkabarett-Entertainment mit voller Kraft voraus. Einer Kraft, derer es bedarf, weil Supancic auf seiner Kreuzfahrt keineswegs nur oberflächlich flott und mit Freude an Blödsinn unterhält, sondern auch tief- und hintergründig im roten Drehzahlbereich unterwegs ist. In seichten Gewässern ist ja leicht lustig sein. Zu anspruchsvoller Kleinkunst wird der Spaß erst dann, wenn das zu durchpflügende Umfeld ernst und eisig wird.
Kindesmissbrauch, Wirtschaftskrise, Waffenhandel und Haider-Tod … Supancic scheißt sich da nix. Mit Volldampf in die braune Soße und durch den scheinheiligen Schlamm, dass es nur so spritzt. Kritisch, höhnisch, boshaft. Und bei jeder Gelegenheit ein paar Breitseiten gegen die abgeschmackte Abteilung der Promi-Gesellschaft.
Auch den Passagieren wird bei dieser Tour de force gute Kondition abverlangt. Es dürften so an die Hundert Hits und Evergreens sein, die Supancic im Lauf des Abends verballhornt, parodiert oder uminterpretiert. Die meisten nur ein paar Zeilen und Töne lang. Alles altbekannte Ohrwürmer aus den unterschiedlichsten Genre, deren individuelle Identifikation in der dargebotenen Dichte kaum mehr möglich ist. Die Gitarre legt der Kapitän daher die ganze Zeit über kein Mal ab. Immer griffbereit, um das nächste gewitzte Medley anzustimmen.
Seine stimmliche Vielseitigkeit und seine offensichtlich absurd-komische Phantasie ermöglichen ihm dabei etliche herrlich versponnene Einlagen. Auf die Idee, den seit dem Tod von Joe Zawinul traurig in einem Abstellkammer vergessenen Synthesizer des Meisters ein quäkendes Lamento anstimmen zu lassen, muss man erst einmal kommen. Und dann noch über die vokale Kapazität verfügen, das so glaubwürdig klingen zu lassen, als habe er im Kehlkopf elektronische Verzerrer eingebaut.
Zum Verschnaufen gibt es zwischendurch auch herkömmlichere Ware, wie Hansi-Hinterseer- oder Udo-Jürgens-Parodien-Potpurris. Aus dem Kalorien-Hit „Aber bitte mit Sahne“ wird dann kurzerhand die Säufer-Hymne „Man muass was tuan für sei Fahne“. Und um die restfette Rede eines steirischen Bezirksmandatars vollinhaltlich nicht verstehen zu können, sollte man der lokalen Mundart zumindest rudimentär mächtig sein.
Ergo : Das „Traumschiff Supancic“ legt ein Tempo und eine Dichte vor, dass es wie ein rasant geschnittener Trailer für die nächsten vier bis fünf Solo-Programme wirkt. Atemberaubend amüsant. Hut ab.
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