Ein später Stier
Der Standard 02/2000
Mit Kabarett-Preisen haben Herbert Steinböck und Gerold Rudle eigentlich nicht viel am Hut. Nicht zufällig haben sie im Verlauf ihrer mittlerweile 7-jährigen Kabarett-Karriere darauf verzichtet, an komödiantischen Vergleichskämpfen teilzunehmen. Um ein Haar hätten sie allerdings im Vorjahr in Mainz den “Förderpreis” des renommierten “Deutschen Kleinkunstpreises” zugesprochen bekommen. Doch das scheiterte an einem erst- und gleichzeitig letztmalig durchgeführten Austragungsmodus : bei einem Publikumsvotum haben Gäste aus dem Ausland zwangsläufig das Nachsehen. Und gerade, als sich “Steinböck & Rudle” stolz in die Biographie schreiben wollten, als einzige Kabarettisten Österreichs keine Auszeichnung für sich verbuchen zu können, ereilte sie die Kunde, daß sie heuer den alljährlich von den Rundfunkanstalten ORF, ARD und SRG verliehenen “Salzburger Stier” bekommen.
Warum der “Stier” so lange auf sich warten ließ, dürfte zwei Gründe haben : Einerseits, weil er von Radio-Anstalten finanziert wird, die sich dafür verständlicherweise sendbares Kabarett-Material erwarten. Zwar sind “S&R” die Schöpfer der Ö3-Wecker-Serie “Jean-Paul & Püp”, ihre vor allem optisch wirksamen Bühnenprogramme lassen sich aber mit dem Etikett “radiotauglich” nur bedingt in Einklang bringen. Außerdem lagen sie bislang alle ein wenig abseits des preiswürdigen Trends : Ihr Debut “Butterkipferl” (1993) veröffentlichten sie zu einem Zeitpunkt, als ein Hader gerade an der Krönung des monodramatischen Kabaretts „Privat“ schrieb, und jeder Komiker, der etwas auf sich hielt, zumindest rote Fäden zwischen seinen Sketches spannte. Bei “S&R” aber ging das Licht aus, es ging wieder an – und eine neue Nummer begann. “Butterkipferl” war dennoch der Überraschungserfolg der Saison. Sieben Jahre und vier nicht minder erfolgreiche Duette später stehen die beiden gelernten Schauspieler auch heute noch für sorgfältig inszeniertes Nummern-Kabarett : Mit darstellerischer Brillanz und formaler Phantasie kombinieren sie Satiren, Songs, Nonsense und Poesie zu abwechslungsreich-amüsanten Programmen. Der Frage nach ihren inhaltlichen Anliegen begegnen sie mit entwaffnender Offenheit : “Keine. Wir wollen unterhalten.”
Ab Mitte März wollen sie das auch im Fernsehen : dann nämlich möchte der ORF die Nachfolge-Sendung für die nach kurzem, schweren Leiden verstorbenen “Kranken Brüder und Schwestern” präsentieren. Und es sieht derzeit ganz so aus, daß es sich dabei um die in Peter Hofbauers “Metropol” entwickelte Spätabend-Show “Nightline – der Comedy Club” handelt, an der “Steinböck & Rudle” nicht unwesentlich beteiligt sind. Schon lustig, daß ausgerechnet jenes Duo, das vom ORF noch vor dem Sommer – nach ersten Zuschauer-Tests – aus dem Team der “Kranken Brüder” eliminiert wurde, jetzt auf Umwegen plötzlich wieder für TV-Comedy-kompatibel erachtet wird. Zumindest vorläufig : die endgültige Entscheidung soll in den nächsten Tagen fallen.
Fest steht hingegen bereits, daß “S&R” ab April vier Monate lang als Co-Conferenciers für die Sommerproduktion des Kabarett Simpl agieren werden. Mit Ausnahme jener drei Juni-Tage, an denen in Köln das “Kabarettforum Salzburger Stier 2000” über die Bühne geht. Für die Schweiz geht der Drei-Länder-Preis heuer an das Duo “Geholten Stühle”, den deutschen “Stier” bekommt die Musikkabarettistin Nessi Tausendschön, die erst vor 14 Tagen mit dem “Deutschen Kabarettpreis” ausgezeichnet wurde.
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