Der Standard 03/1999

Marie-Claire, eindeutig als nasale WU-Studentin typisierte Repertoire-Figur, feiert eine Party – und spielt zur allgemeinen Erheiterung Kabarett-Sketche aus dem Nachlaß ihrer Alt-68‘er-Großmutter vor. Bis es Oma im Jenseits zu bunt wird – und sie beflügelt beschließt, den zeitdurchgeistigten Girlies und Tussis die Flausen auszutreiben.
Das ist der neue, etwas brüchige Handlungsrahmen, mit dessen Hilfe Dolores Schmidinger darangeht, ihre Lieblings-Sketche aus den vergangenen fünf Programmen einen dramaturgischen Zusammenhalt zu verleihen : der Hippie-Oma, die ihrer Schwiegertochter Nachhilfe-Unterricht in Sachen sexueller Befreiung erteilt – nachdem sie offensichtlich beim eigenen Sohn kläglich versagt hat; dem unterbelichteten Neo-Nazi, der die Swastika – “das buddhistische Sonnenzeichen” – als logisches Symbol für jedes ideologische Bräunungsstudio empfindet; den männer-mordenden Friedhofsspatzen, dem frauen-fürchtigen Philharmoniker und der entrückten Esoterikerin, die Asylanten Bachblüten gegen Abschiebungsangst verordnet.
Sie wolle es noch einmal wissen, ließ die Schmidinger im Vorfeld verlauten, ob man das Kabarett-Publikum heutzutage noch zum Nachdenken anregen dürfe. Keine Frage : Man darf. Ob in Karikaturen gekleidete, silbertablett-servierte statements dafür das richtige Mittel sind, ist aber zumindest zu bezweifeln.
Trotz aller altbewährten, komödiantischen Qualitäten und bisweilen schäumender Spielfreude schleppt sich “Der Versuch der alten Dame” über weite Strecken nur sehr mühsam über die Distanz. Es ist die formale Konstante des künstlich monologisierten Gesprächs, die dem Bühnengeschehen eine auf die Dauer ermüdende Eindimensionalität verleiht. Daran vermögen auch die wenigen, abwechslungsspendendenden Lieder und die mit Gejohle quittierten Pointen über Penislängen nichts zu ändern. Statt des üblichen Premierenjubels gab es diesmal nur sehr gedämpfte Euphorie : Nach der ersten Zugabe war Schluß.