Alles nur geklaut
Der Standard 12/1999
Er habe Texte anderer Autoren für dieses Programm gesampelt, läßt Joesi Prokopetz sein Publikum via Zuspielung vor Beginn seines “elesenen” neuen Programms mit dem lustigen Titel “lachenistgesundichlachmichkrank” wissen. Mit vorauseilendem Rechtfertigungsdrang fügt er hinzu, er bediene sich somit nur eines Prinzips, das in der Musik längst gang und gäbe sei. Im Vorwort zu seinem gleichnamigen Buch steht zusätzlich noch eine Bemerkung, mit der er wohl versucht, auch jeglicher Kritik vorbeugend den Wind aus den Segeln zu nehmen. Vergeblich, wie sich zeigen wird: “Es liegt nun an den Kulturbeflissenenen dieses Landes, sich möglichst penetrant und wortreich darüber zu verbreiten, um für die nötige PR für dieses Buch zu sorgen.“
Daß dieses Buch PR bitter nötig hat, ist richtig. Alles andere sind grobe Mißverständnisse des Künstlers, die es aufzuklären gilt. Denn es bedarf leider nicht einmal eines Mindestmaßes an Kulturbeflissenheit um das Prokopetz’sche “Sampeln” von Texten – klingt ja fast nach experimenteller Literatur – als schlichten Ideenklau zu entlarven. “Ein Ehepaar erzählt einen Witz” (Tucholsky) an einen Wiener Wirtshaustisch zu verlegen, ist prinzipiell in Ordnung. Aber das nennt man dann “Remake” oder “Cover-Version”. Auf weniger legaler Basis durchaus auch “Plagiat”. Wie im Fall des Merchandising-Märchens mit den vielen eingebauten Produkt- und Firmennamen. Eine lustige Idee – allerdings vom jungen Kabarettisten Ludwig Müller. Wenn nun Prokopetz nach dem gleichen Prinzip ebenfalls ein – seinem persönlichen Stil entsprechend mit Anzüglichkeiten durchsetztes – Märchen schreibt, dann ist das keine Hommage, sondern Verletzung geistiger Urheberschaft. Und der kreative Offenbarungseid !
Wie auch der Rest der Lesung: Seine vermeintlichen Realsatiren – über Taxifahrer und Friseurinnen – sind alle um jenes Quantum zu offensichtlich um billige Kalauer angereichert, als daß sie im Stande wären, Authentizität zu vermitteln. Wobei die Pointen zumeist nur überlegenes Gelächter über die Ungebildetheit oder rhetorische Schwächen jenes “einfachen Volks” provoziert, dem er so gerne aufs Maul schaut. Auch seine tiefschürfend daherkommenden Analysen des Wiener Idioms sind schlußendlich von erschreckender Einfalt. Im Wienerischen sei es so, wie im Chinesischen, behauptet er beispielsweise: “Eine einzige Silbe kann die unterschiedlichsten Bedeutungen haben.” Grundsätzlich richtig. Nur sind es im chinesischen die Tonhöhe und –Intensität, die den feinen Ausschlag geben. Daß jeder x-beliebigen Silbe (“no”, “geh”) mit plakativer Gestik, Mimik und Emotionalität bisweilen sogar gegensätzliche Aussagen entlockt werden können, ist wirklich keine neue Erkenntnis.
Über Prokopetzt prangt während seiner ganzen – gleichermaßen unoriginellen wie unoriginalen – Lesung eine überdimensionale s/w-Grafik eines schmerzverzerrten Gesichts. Aus nicht eruierbaren Gründen. Aber trefflicher läßt sich der Abend kaum charakterisieren.
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