Der Kasperl rockt
Alf Poier: „Es woa amoi a Mola, der hot koa oanzigs Büd net gmoin, obwoi maun wirklich sogn muaß, er hot sei Lebn long woin.“
kabarett.at 04/2010
Es war am 22. April 1995 im noch nahezu menschenleeren Grazer Theatercafé kurz vor Beginn des Abschlussabends des Kabarett-Nachwuchswettbewerbs „Grazer Kleinkunstvogel“, als ein bebaskenmützter Finalist resigniert in einen Sessel sank und mit bestürzender Bestimmtheit konstatierte : „Schod‘, des wird heit‘ nix !“ Es war nämlich schon den ganzen Tag lang nicht sein Tag gewesen. Und weil er keine bewährten Programmausschnitte, sondern nur sich selbst in die Waagschale des Wettbewerbs werfen konnte, sollte er recht behalten. Alf Poiers 15-minütiger Auftritt – sein erst zweiter als „Kabarettist“ – geriet zu einer verunsicherten und holprigen Mischung aus grotesker Lebensmittel-Verkaufs-Show und Kommunikationsversuchen mit dem Publikum, aus Liedern über ausgerastete Gartenzwerge und Lychees aus China.
So war das vor 15 Jahren. Inzwischen liegen eineinhalb ereignis- und erfolgreiche Jahrzehnte hinter dem Judenburger Extrem-Entertainer. Und zur Feier seines Kabarett-Jubiläums hat er nun seine Band „Die Obersteirische Wolfshilfe“ reaktiviert – und wummert sich mit dieser tadellosen Rockpartie quer durch sein musikalisches Schaffen.
Wiederhören macht Freude. Den ersten, etwas eintönigeren Set lockert er mit Anekdoten aus seiner Kabarett-Karriere auf. Nach der Pause wird es mit „S’Leben“, „Wödhit“, „Der Meister spricht“ und dem unverändert hitverdächtigen „Afro-sibirischen Lovesong“ musikalisch abwechslungsreicher. Die Zugaben sind dann eine gemähte Wiese : „Hoch am Berg“, wo Vater und Sohn in hilfloser Faszination zuschauen, wie Haus und Hof in Flammen aufgehen, das berühmt-berüchtigte Song-Contest-Lied „Weil der Mensch zählt“ und sein persönliches Manifest „Kasperl“.
Poier rockt, tanzt und hampelt mit Staccato-Hüftschwung, säuselt, singt und grölt, dass es eine Art hat. Ein Clown zwischen Dadaismus und Nihilismus, in dessen Stammbaum sich unter anderem Helge Schneider, Georg Ringsgwandl und Rammstein erhängt haben. „This isn’t it“ ist somit in erster Linie ein unterhaltsames Konzert für Hardcore-Fans.
Aber nicht nur. Denn „This isn’t it“ ist im Vergleich zu Poiers letzten Soli auf wohltuende Weise von missionarischen Heilsbotschaften befreit. Auch die typisch poier’schen Witze und Wortspiele sind nur in homöopathischen Dosen eingestreut. Auf Bastelarbeiten und Bilder verzichtet er diesmal komplett. Haben ja beim Rock’n’Roll auch wirklich nichts verloren. Und siehe da : ohne diese sattsam bekannten Standards und Requisiten hat der Funken der Faszination endlich wieder eine faire Chance. Je länger das Konzert dauert, umso mehr vermag sich die ungeschminkte Ausstrahlung dieses aufrechten Narren wieder zu entfalten.
Poier war immer ein Kasperl – und will auch immer einer bleiben. Wer ihn als schräg empfindet, sollte vielleicht mal die eigene Perspektive überprüfen. Vielleicht ist man ja selbst nur ein allzu flexibles Fähnchen im Wind der herrschenden Moral- und Marktgesetze. Poier indes ist unbeugsam, so sehr er sich die Marktlücken und –mechanismen auch erfolgreich zunutze macht.
Freunde macht er sich damit unter Kollegen keine. Es gibt ja nur ganz wenige in der Kabarettszene, die keinem Klüngel angehören. Noch weniger, die so gemieden werden, wie Poier. Er wird sogar verspottet und böse parodiert. Ein ständiger Stein des Anstoßes für die konformen Kollegen. Einer, der fast schon Hass und Wut auszulösen vermag. Gerade bei Künstlern, die sich sonst Toleranz und Freiheit der Kunst prominent auf ihre Fahnen heften. Offenbar eine unerträgliche Provokation für die intellektuellen Satiriker. Und das eben keineswegs nur wegen seiner gelegentlich fragwürdigen oder unbedachten politischen Äußerungen. Es ist die Summe seiner Andersartigkeiten mit der er polarisiert. Und das ist gut so. Österreich braucht solche Künstler. Als Reibebaum oder als Ikone. Auf alle Fälle als Bereicherung der Bandbreite. Auf die nächsten 15 Jahre !
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