Der Horror haust im Heizungskeller
Der Standard 10/2000
Einer, der die industrielle Erzeugung von Krakauerwurst ebenso überzeugend zu verkörpern vermag, wie einen sentimentalen Zigarettenautomaten oder die gesamte um ein Wasserloch versammelte Fauna Afrikas, muss sich um Originalität keine Sorgen machen. Mit atemberaubender und bändesprechender Körperkomik illustriert, konterkarieriert, kontrastiert und karikiert Olivier Lendl seine alltagssatirischen Episoden rund um ein Zwei-Sterne-Hotel in der Laxenburgerstrasse, das ihm in seinem vierten Soloprogramm “Der Horror aus der Minibar” als thematisches Basislager dient.
Es sind nicht nur situationssaukomische und mit etlichen kleinen, absurden Details gespickte, sondern zum Teil auch rührend menschliche und bisweilen völlig ins Surreale abgleitende Szenen, die sich in den Gäste- und Hinterzimmern, im benachbarten Kino-Center und vor allem im Heizungskeller abspielen. Dort nämlich – und nicht etwa in der Minibar – haust der Horror.
Damit kein falscher Eindruck entsteht : So plastisch er seine Szenen auch mit Slapstick unterstreicht, nie drängt er sie seinem Publikum auf. Lendl kommt gänzlich ohne – bei Solo-Comedy sonst allgegenwärtige – anbiedernde Showeffekthaschereien oder prätentiös-plakatives Pointensetzen aus. Er beherrscht die hohe Kunst der kleinen, präzisen Gesten und Geräusche mit großen Wirkungen. Die meisten seiner Geschichten fangen völlig unspektakulär an, schlagen ein paar überraschende Haken, nehmen Fahrt auf, heben ab ins Phantastische, vollführen dort irrwitzige Kapriolen, überschlagen sich scheinbar vor Rasanz, fangen sich wieder und landen schlussendlich klein und bescheiden auf dem Boden der Realität. Entfesselte Comicstrips für staunend geweitete, geistige Augen. Große Kleinkunst-Klasse. Und lustig sowieso.
0 comments on Der Horror haust im Heizungskeller