An den Mann gebracht
Der Standard 03/1994
Merke: Wenn Frauen sich auf Kleinkunstbühnen stellen und satirische Gedanken über die Gesellschaft im Allgemeinen und das andere Geschlecht im Speziellen zum Ausdruck bringen, dann nennt man das ‚Frauen-Kabarett‘. Wenn Männer das gleiche machen, spricht man vom ‚Kabarett‘ schlechthin.
Wenn innerhalb weniger Tage sowohl die Menubeln (Spektakel) als auch Barbara Klein (Niedermair) ihre neuen Programme präsentieren, dann ist das folgerichtig schon fast ein Frauen-Kabarett-Boom – der leider nicht hält, was man sich von ihm versprechen könnte: Mit „An den Mann gebracht“ beweisen die Menubeln Mut zu Rückschritten und mit „Sperma zu!“ wagt sich Barbara Klein ein paar Schritte zu weit hinaus.
Hatte sie im Vorjahr als „Miss Verständnis“ noch die Lacher auf ihrer Seite, verzichtet sie in ihrem aktuellen Stück über weite Strecken aufs Lustige. Fast schon literarisch, gespickt mit verschraubten Sprich-Wort-Spielen, stakst die Geschichte über den Konkurrenzkampf in einer Kondom-Fabrik dahin. Ein Video-Monitor, der sich von Zeit zu Zeit als Gewissen der gerade agierenden Figur ins Geschehen einschaltet, hat schlussendlich weniger innovativen Wert als artifiziellen Charakter. Ihrer clownesken Wandlungsfähigkeit – Barbara Klein spielt abwechselnd sechs Charakter-Karikaturen – hat sie es zu verdanken, dass sich „Sperma zu!“ nicht zwischen der Pfandkondom-Abteilung, dem heimatlichen Seitensprung und der wirren inneren Stimme vollends zerfranst.
Die „boshaften Weiber“ hingegen scheitern diesmal an ihrem konzeptionellen Grundübel, sich ihre Programme von diversen versierten AutorInnen auf den Leib schneidern zu lassen. Das Ergebnis ist im vorliegenden Fall ein oberflächlicher Fleckerlteppich, mit dem sich selbst das erfahrene Menubel-Team rund um – und nicht zuletzt auch wegen – Regisseuse Michaela Scheday viele Blößen geben muss.
Inmitten eines plakativen Pulks platter, feministischer Kraut-Rüben fallen jene vereinzelten humoristischen Sprösslinge, die den Gesamt-Eindruck aufpolieren könnten, nicht mehr auf : Wie Hektikerinnen stolpern Jeanette Tanzer, Erika Deutinger und Martha Günzl von einem Gemeinplatz zur nächsten Nummer ohne Anschluss. Eine Hetz mit musikalischem Schwung, aber ohne den Halt inhaltlichen Anspruchs. Da nützt es auch nichts, dass die Zielscheiben ihrer gift- und galligen Attacken diesmal durchwegs Repräsentanten des eigenen Geschlechts sind : Die minderbemitteltsten Machos stecken in den Frauenzimmern der Chefetagen zeitgeistiger Life-style-Magazine und ihre willfährigen Kollaborateurinnen in spießigen Beziehungs-Kisten und Biedermeier-Küchen. Da sind also jene zu finden, die glauben, die Emanzipation schon längst dadurch hinter sich zu haben, indem sie einen großen Bogen um sie gemacht haben. Aber einen Erste-Hilfe-Kurs in Feminismus, wie er schon vor 10 Jahren im Simpl hätte stattfinden können, haben sie deshalb noch lange nicht verdient – und das Publikum schon gar nicht.
Männer funktionieren bei den Menubeln ab sofort nicht mehr als generelles Feindbild, sondern als für wahllose Wurfgeschosse geeignete, lächerliche Schießbudenfiguren: Widerlinge, die sich an bügelnden Weibchen aufgeilen, oder schmerbäuchige Vorstands-Vorsitzende, die sich die Vorzüge ihrer osteuropäischen Mätressen erläutern. Göttin-sei Dank wird hierbei wenigstens stellenweise so dick aufgetragen, dass die daraus resultierenden Albernheiten Anlass zur Ausgelassenheit sind.
Selbst jenes grauenvolle Schicksal des Mannes, der seiner Frau aus finanziellen Gründen von einer Halbtagsbeschäftigung abrät – „Liebling, ich setz dich von der Steuer ab“ – „Liebling, dann schneid‘ ich dir die Eier ab“ -, ist in Bobbit’schen Zeiten schon fast das geringere Übel.
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