Trennkost im Kabarett
Der Standard 03/1998
Joesi Prokopetz ist „So oder So“, Thomas Maurer ist „Intensivdamisch“
Würde man es sich zur Fleißaufgabe machen wollen, Parallelen zwischen den beiden zu Wochenbeginn in „Vindobona“ und „Kulisse“ präsentierten Kabarett-Programmen herauszuarbeiten, könnte man zu folgendem Ergebnis kommen: Beide beinhalten jeweils einen Scherz über „News“ und formal handelt es sich bei beiden um requisitenarme Soli mit ein bisschen Musik. Ende der Ähnlichkeiten.
Joesi Prokopetz wird es mit „So oder So“ (Regie: Kurt Ockermüller) vermutlich gelingen, einen Fixplatz in der Liga lustiger Unterhaltungs-Abende zu ergattern. Das ist gut so, denn auf dem derzeit vornehmlich von Bisenz beackerten Bierzelt-Feld der breiten Masse, wirkt seine bisweilen satirische Beobachtungsgabe vermutlich fast niveauvoll. Auf alle Fälle – und dafür ist es nur recht und billig, Prokopetz bis zum jüngsten Spaß dankbar zu sein – reiht sich „So oder So“ nach seinen jahrelangen „Rädl“-Exzessen in die Kategorie „vergleichsweise schmerzfrei“ ein. Und das trotz der zahlreichen alten Bekannten – teils vollbärtig, teils zahnlos -, die einem im Verlauf des Abends begegnen, und den Eindruck vermitteln, man erlebe einen leichtfasslichen Querschnitt durch die österreichische Kabarettgeschichte. Einen erstaunlich heftig akklamierten. Um ausgelassene Wiedererkennungs-Freude zu erzeugen, genügt scheinbar überdies das schlichte Prinzip der öffentlichen Realitäts-Nacherzählung. Authentizität, angereichert um einige nächstliegende Wortwitze. Über die Doppeldeutigkeit des Begriffs „heiliger Stuhl“ – ein von Generationen von Kabarett-Neulingen als zu plump wieder verworfener Gag – freut sich das Prokopetz-Publikum einen Ast nach dem anderen.
Worum geht es eigentlich? Egal. Das Ganze ist ja nur eine Probe, die Regisseur Kurt immer wieder unterbricht. Diese dramaturgische Krücke funktioniert prächtig und ermöglicht Prokopetz jedwede thematische Beliebigkeit. Symptomatisch, dass die eigentlich unmissverständlich vorgespielte Situation eingangs in Form einer „Gebrauchsanweisung für den Abend“ verlautbart werden muss. Nummern-Kabarett nach den Gesetzen des humoristischen Minimums und fern jeglicher Überforderungsgefahr.
So leicht macht es sich ein Thomas Maurer nicht. Obwohl er sich seiner schauspielerischen Unzulänglichkeiten mittlerweile eigentlich bewusst sein müsste, startet er sein Solo „Intensivdamisch“ (Regie: Petra Dobetsberger) weitgehend wortlos. Das ist mutig für jemanden, der nicht zu unrecht in erster Linie als Meister der Formulierungskunst, Hüter des Wortschatzes und Rekordhalter in der Disziplin Dauerschnellsprechen gilt. Mutig, bzw. etwas fahrlässig. Denn die dadurch entstehende Verunsicherung – bei ihm und im Publikum – ist lange Zeit nicht mehr wegzubekommen. Zumal er kurze Zeit später auch noch glaubt, singen zu müssen. Das kann er auch nicht wirklich. Außerdem stört es Aufbau und Ablauf der im Grunde genommen geschickt gesponnenen Geschichte, die abermals im Überfluss über all jene Qualitäten verfügt, die Maurer zu einem wertvollen Mitglied der G7 des heimischen Kabaretts gemacht haben: dynamisch, politisch, gescheit – und dabei hochamüsant. Mit gewohnt atemberaubendem Affenzahn düst er durch die von midlife-crisis in Mitleidenschaft gezogenen, nur unscharf voneinander trennbaren Wach- und Traumphasen eines zeitdurchgeistigten, orientierungslosen Lebens-Sprinters. Nägel auf die Köpfe treffen kann bald einer, sie aber mit derartig intelligent angesetzten Schlägen so punktgenau und tief ins Holz zu rammen, ist schon eine beachtliche Kunst. Um hier eine hübsch abgegriffene Redewendung zu benutzen. Dass er sich seinen schönen Schluss mit einer Zugabe regelrecht z’ammhaut, ist hingegen eine Untat, die er in Hinkunft hoffentlich unterlassen wird.
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