Die lange Nacht der sexuellen Unzufriedenheit
Der Standard 09/2000
Die Idee ist naheliegend : Kabarettisten, denen es als Solisten – noch – nicht vergönnt ist, ihre Spielplätze regelmäßig zu füllen, schließen sich zu einem synergetischen Ensemble zusammen. Merke : Zwei Kabarettisten haben nicht nur doppelt so viel Publikum, sondern auch dementsprechend mehr Spaß an der Arbeit. Wenn sich also gleich fünf gemeinsam auf eine Bühne stellen, sind Restplätze Mangelware und der Überschaum kennt kein Halten. Dieses bereits im Vorjahr bestens bewährte Erfolgsrezept wird nun unter dem Titel ”Die lange Nacht des Kabaretts II” (an jedem Sonntag) im ”Niedermair” frisch gekocht – und halb gewonnen. Ein systemimmanentes Ergebnis, wenn fünf sehr verschiedene Kabarettisten ihre jeweiligen Lieblingsnummern darbieten und sich zwischendurch gegenseitig zu allerlei Albernheiten animieren. Wobei das mit den vielen Köchen in diesem Fall erfreulicherweise nicht zutrifft. Außer, man reagiert allergisch auf die üppigen, zu festem Klamauk verquirlten, gemeinsamen Sketche : plakativ-parodistisch servierte, hausmannsköstliche Zwischenmahlzeiten, neben denen sich die Raffinierteren der Solo-Nummern als wohltuend undeftig erweisen. Hervorzuheben aus der dreistündigen, fröhlichen Vielfalt ist vor allem Werner Brix, der als bis hin zur Selbstverstümmelung konsequenter Rationalisierungs-Experte oder gestresster Vater für darstellerisch brillante, humoristische Höhepunkte sorgt. Jeder tut, was er am besten kann : O. Lendl sorgt für satirische Slapstick-Einlagen, Mike Supancic singt lustige Lieder, Severin Groebner spielt Kurz-Grotesken und I Stangl ist ganz I Stangl.
Im Gegensatz zu seinem neuen Solo-Projekt ”Anleitung zur sexuellen Unzufriedenheit” (an jedem Montag), in dem er zwangsläufig nur stellenweise er selbst ist. Schließlich hat er das Seminar-Kabarett von Bernhard Ludwig geerbt, der sich bei der Premiere königlich über seinen Nachfolger amüsierte. Ein Grund für den langjährigen Erfolg dieses Hybrids zwischen Gruppentherapie und humoristischem Vortrag ist zweifellos auch die in so manchen Partnerschaften noch immer tabuisierte und ob des hehren, psychohygienischen Kontexts geschickterweise über jeden Vorwurf ordinärer Billigkeit erhabene Thematik : es bedarf nicht einmal vorsätzlicher Anzüglichkeiten, um mit sexueller Explizität und simplen zwischengeschlechtlichen Verhaltensvorschlägen jene instinktive Heiterkeit zu erzeugen, mit der sich die Zielgruppe aus der Verlegenheit zieht.
In der von I Stangl adaptierten Version wirkt das Ganze jedenfalls etwas weniger belehrend als im Original. Kein Wunder, muss er die therapeutische Kompetenz von Bernhard Ludwig doch mit Schmäh ausgleichen: ”Mein Schwager ist Sexualwissenschafter. Das reicht für Österreich allemal.” (pb)
- Kabarett Niedermair, 8., Lenaug. 1a, 408 44 92. 19.30
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