Kralls Kraken
Beschlagen und behämmert
Kabarett-Kurier / 25. Oktober 2002
Na, da wird die Vogelwarte aber schön schauen, wenn Waschbär Waldemar und Nachtigall Solveig die Ringe tauschen. Taube Paulina bläst indes im Mondschein Trübsals-Seifenblasen aus Sepia. Und Fledermaus Beatrice stößt ihren untreuen Tintenfisch vom gemeinsamen Dachstuhl.
In ”Verlobung in der Wascherei oder Die getrösteten Kraken” paaren sich Dramatik, Groteske, Aberwitz, Hintersinn und Poesie auf eine den Horizont und die Münder sperrangelweitende Weise : eine rührend intonierte, sagenhafte, barocke Liebesverwirrungs-Oper im Weich- und Flattertier-Milieu mit hofnärrisch hineinverwobenen Anspielungen auf Justiz-Korruption und Sozialabbau – als Kabarett-Solo. Wunderbarer Wahnsinn!
Der Schöpfer dieses kuriosen Kleinkunstwerks heißt Christoph Krall, ist 36 Jahre alt und die mit Abstand naturschrägste Neuerscheinung auf dem Kleinkunst-Sektor. Hauptberuflich arbeitet der Tiroler als Mathematik-Lektor an der Uni Wien. Ein hochgradig beschlagener und in seiner Freizeit rechtschaffen behämmerter Dr. Seltsam, dessen extravagante Solo-Performances auch davon profitieren, dass er nie so wirkt, als habe er auf einer Bühne auch nur das Geringste verloren. Dass das Gegenteil der Fall ist, belegen drei Kabarettpreise, die ihm in den letzten zwei Jahren verliehen wurden. Für besondere Verdienste bei der Erforschung von Neulachland. (pb)
0 comments on Kralls Kraken