Nahkunst mit Strahlkraft
Uta Köbernick: „Weniger ist mehr? Wenn weniger wirklich mehr ist – dann ist nichts alles.“
kabarett.at 01/2008
Die Zeit ist ein Hund. Darum haben Sie jetzt zwei Möglichkeiten. Entweder, Sie haben es eilig. Dann nehmen Sie mich doch einfach beim Wort und sich selbst am 17. Jänner nichts anderes vor, als Uta Köbernick bei ihrem erst- und vorläufig einmaligen Österreich-Auftritt im Theater Forum Schwechat zu besuchen. Wer ein Herz und seine sechs Sinne beisammen hat, wird es nicht bereuen. Oder aber, Sie haben kurz Zeit, auf dieser Seite zu verweilen. Dann lassen Sie sich doch in Ruhe überzeugen.
Das Leben ist kein Traum
und was noch kommt, das weiß man kaum …
Und was mal war ? Das, was war, bleibt ungewiss.
Es war dereinst im heißen Sommer 2006. Da begegnete sie mir das erste Mal. Virtuell. Mittels DVD hatte sie sich für die für den deutschen Markt immens wichtige „Freiburger Kleinkunstbörse“ beworben – und ich saß in der Jury. Gezeichnet von 500 Bewerbungen. Von täglich 14 Stunden Mattscheibenschauen. Monotones Einlegen, Anschauen, Vorspulen, Anschauen, Beurteilen, fertig. Leicht entnervt. Und dann kam Uta Köbernick. Schon nach einer Minute stand fest: genommen. Die wird dabei sein. Die ist sofort im Topf jener 10 Prozent, die fix einen Bühnenauftritt bekommen. Und damit nicht genug: Sie kriegt einen der heiß begehrten 30-minütigen XL-Auftritte. Ein Zeichen ganz besonderer Wertschätzung. Normalerweise kommt dann: Danke, entschieden, DVD raus, nächster Kandidat rein. Nicht so bei Uta Köbernick. Es war längst schon alles klar – und doch gab es keinen in der Jury, der verlangt hätte, zum nächsten Bewerber überzugehen. „Lass mal laufen, tut gut sowas“, meinte ein Jury-Kollege. Und zusammen haben wir uns dann noch 20 Minuten von der Bewerbungs-DVD angesehen. So ist das nämlich bei Uta Köbernick.
Es passiert nicht einfach so.
Es passiert nicht. Einfach so.
Es passiert. Nicht einfach. So.
Denn im Gegensatz zu fast allen anderen, die sich auf Kabarettbühnen stellen, erweckt sie nie den Anschein, als lege sie es darauf an, ihre Zuhörer zum Lachen zu bringen. Im Gegenteil: ihr Ziel ist es, die Lacher zum Zuhören zu bringen. Mit kurzen, bis zur Pointe konsequent zu Ende gedachten Gedanken. Mit kleinen Gedichten, die große Geschichten erzählen. Inwendigen Momentaufnahmen mit unendlicher Tiefenschärfe. Selbstironischen Befindlichkeitsanalysen von beflügelnder Tragflächenweite. Mit Liedern, in denen sie Strophe für Strophe die überraschende Vielschichtigkeit eines vermeintlich eindimensionalen Begriffs enthüllt. Lieder über ganz Alltägliches aus ungewohnter Perspektive. Da geht es um trügerische Packerlsuppen und großäugige Teddybären, um Licht und Schatten, um Naivität und Liebeskummer, um Angst und Depressionen. Aber auch um Lebensfreude, Romantik und Zuversicht. Trotz Allem. Oder gerade deswegen. Denn Uta Köbernick macht Scheiterhäufen zu Sprungbrettern. Und es geht ja alles immer irgendwie weiter.
Die in Zürich wohnhafte Berlinerin Uta Köbernick ist Schauspielerin, Sängerin und Dichterin. Sie spielt Klavier, Geige und Gitarre. Ihr mehr zufällig als planmäßig entstandenes erstes Soloprogramm „Sonnenscheinwelt“ will sie am liebsten als „Nah-Kunst“ kategorisiert wissen. Um Erwartungshaltungen an „Kabarett“ oder „Kleinkunst“ prophylaktisch auszuweichen. Es ist ja auch viel mehr ein gewitztes literarisch-poetisches Mosaik. Stellenweise mit Scharfsinn poliert, andernorts mit Weichzeichner verschwommen. Ein konzentrierter Abschnitt des Lebensweges – gespickt mit tiefgründigen Schlaglöchern und humorvollen Hindernissen. Seine nachhaltige Wirkung verdankt es nicht zuletzt, dem fast schon an Beiläufigkeit grenzenden Vortragsstil. Gelegentlich wirkt es fast schon etwas lieblos, wie sie ihre aphorismusischen Textbausteine aneinanderreiht. Dabei verdient doch jeder sein eigenes Podest. Aber schlussendlich spielt das keine Rolle. Denn Uta Köbernick strahlt. Steht auf der Bühne, als habe sie sich versehentlich dorthin verirrt – und strahlt. Während sich so manche mit Hochdruck und entsprechend vorhersehbarer Vergeblichkeit um Charisma bemühen, kann sich Uta Köbernick noch so klein machen – sie strahlt. Aus ihren Augen blitzt der Schalk, und ihre Mundwinkel allein sprechen Bände. Anders gesagt: Wer ihr zu nahe kommt, läuft Gefahr, ihr zu erliegen. Eine Erfahrung, die man sich nicht entgehen lassen sollte.
Jetzt kannst du mich haben.
Jetzt ist der richtige Augenblick.
Nimm meine Hand jetzt und küss mich.
Er rückt an seiner Brille – und Jetzt ist gerade vorbei.
- Infos unter www.utakoebernick.ch
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