Guglhupf für die Generation X
Brutstätte, geschützte Werkstätte und Auffanglager: das fruchtbare Spass-Reservat des Senders FM4
Kabarett-Kurier / 9. Oktober 2001
FM4-Chefin Monika Eigensperger lernt man bereits kennen, lange bevor man ihr gegenübersteht : Ihr zwischen grotesk-meckernd und schrill-hysterisch angesiedelter lauthalser Lacher ist sogar den Schülern des dem Funkhaus benachbarten Theresianums ein Begriff. Kein Wunder also, dass sie den Produzenten der auf ihrem Sender gepflogenen schrägen Spielarten des Humors einen ganz besondere Wertschätzung entgegenbringt : “Mit ihrer Eigenständigkeit und Vielfalt tragen sie maßgeblich zum Charakter von FM4 bei.”
“Das Großartige an der Eigensperger ist”, streut Christoph Grissemann im Gegenzug Blumen, “dass sie uns einfach tun lässt: Pro Woche schenkt sie uns 90 Minuten Sendezeit, die wir nach Belieben füllen können. Was will man als Radio-Spassmacher mehr ?”
„Ich würde auch dann für FM4 weiterarbeiten, wenn ich kein Geld dafür bekäme. Aber bitte nicht weitersagen.”
Christoph Grissemann
FM4 ist sich der Zugkraft seines Trademarks “Stermann & Grissemann” bewusst. Die Popularität ihres vor 12 Jahren – in der Ö3-Jugendleiste “Zick Zack” – erstmals gesendeten “Salon Helga” (jeden Freitag um 20:15 Uhr) verschaffte FM4 bei seiner Gründung 1995 ein nicht zu unterschätzendes Startkapital.
“Im Radio versendet sich alles. Das erlaubt eine gewisse Unbekümmertheit.”
Dirk Stermann
Die im Lauf der Jahre immer weiter verfeinerten und zugespitzten humoristischen Methoden des Rheinländisch-Tiroler Duos reichen von der literarischen Satire über aberwitzigen Telefonterror und himmelschreienden Nonsense bis zu gelegentlich recht untergriffigen Blossstellungen namhafter Zeitgenossen. Mindestens ebenso böse und respektlos, wie sie bisweilen ihrer Umwelt zuleibe rücken, nehmen sie sich aber auch gegenseitig auf die Schaufel. Das und ihre sympathische Offenherzigkeit, ja fast schon Verletzlichkeit, verschafft ihnen jenen Sympathieträger-Bonus, den sie wiederum in humoristischen Freiraum umzumünzen verstehen. Eine ständige Gratwanderung, die sie mit engagierter Demut absolvieren.
Ein Beispiel : Schon wenige Tage nach dem verheerenden Terror-Angriff auf die USA hatten sie einen interessanten Vorschlag für die Titelseite des stets zu Tabubrüchen aufgelegten deutschen Satire-Magazins “Titanic”: ein Photo der Twin Towers mit einem im Anflug befindlichen Flugzeug und dazu die Schlagzeile “Jetzt auf RTL 2 : Die dümmsten Piloten der Welt”. Ein atemberaubender Scherz, den sie sich allein schon aus Rücksicht auf ihre vielen amerikanischen Arbeitskollegen bei FM4 noch zwei Wochen lang auf Sendung verkniffen.
“Ich schätze vor allem ihre sich ans Romantische anschmiegende Larmoyanz, mit der sie dem Publikum den ihnen innewohnenden Weltekel zu Füßen legen. Und ihre äußerliche Gepflegtheit.”
Martin Puntigam über „Stermann & Grissemann“
Vergleichsweise geradezu harmlos wirken da ihre durchaus gepfefferten Promi-Verunglimpfungen. “Wäre ich Barbara Stöckl, wäre ich aber wahrscheinlich schon beleidigt”, räumt ausgerechnet Gerald Votava ein, der zusammen mit Herbert Knötzl und Clemens Haipl auch nicht gerade schonend mit der Seitenblicke-Partie umspringt. Ihr “Projekt X” ist ein als Talkshow-Parodie getarnter gnadenloser Abgesang nicht nur auf gesellschaftliche und mediale, sondern auch auf humoristische Konventionen. Der sagenhafte Nonsense, der sich seit der FM4-Gründung an jedem Donnerstag um Mitternacht spontan entspinnt, zählt zu den mit Abstand schrägsten und innovativsten Humorhervorbringungen der letzten Jahre. Die Kabarett-Auszeichnung “Salzburger Stier” traf das Trio im Vorjahr dennoch unvorbereitet, denn “mit Kabarett hat das alles doch überhaupt nichts zu tun.” Vielmehr ist es eine Unterhaltungsform, die mit ihrer geradlinigen Gesetzlosigkeit bestens dazu geeignet ist, die Hörerschaft in zwei Lager zu spalten : in begeisterte Fans und empörte Kopfschüttler. “Dafür habe ich vollstes Verständnis”, zeigt sich Votava versöhnlich, “Ich habe schon als Kind Witze gemacht, die nicht alle lustig fanden.”
Während Herbert Knötzl hauptberuflich als Vermögensberater tätig ist, sind Gerald Votava – als Tages-Moderator – und Clemens Haipl – als Unterhaltungschef – mehr oder weniger fix mit FM4 verbandelt. Votava fröhnt in seiner Freizeit der Musik (u.a. mit den “Jolly Friends”), Haipl zeichnet indes Karikaturen und schreibt zusammen mit Hektiker Florian Scheuba böse Kurzportraits. Wer von diesem Duo in die schwarze Liste der “100.000 wichtigsten Österreicher der Welt” (Taschenbuch erschienen im Czernin-Verlag) aufgenommen wird, sollte von wohlmeinenden Freunden schonend mit “Du musst jetzt sehr viel Humor haben” auf ihre satirische Misshandlung vorbereitet werden.
“Die haben ja alle eine Ausbildung, mit der sie genausogut als Waffenhändler oder Aufsichtsrat bei Gericom hätten enden können”, zollt Martin Puntigam seinen Kollegen Respekt, “dankenswerterweise haben sie sich aber doch für eine vergleichsweise nützliche Karriere entschieden.” Seit einem Jahr bereits versorgt der mit seinen wunderbaren, berührend-abstrusen Tragikkomödien leider noch immer nicht zu angemessenem Ruhm gelangte Kabarettist (aktuelles Solo “Spam” im November im “Kabarett Niedermair” !) das Programm von FM4 mit beglückenden Farbtupfern : heitere, hintergründige und gelegentlich rechtschaffen kranke Kurz-Comedys u.a. über den “Pflichtverteiger aus Leidenschaft Petrocelli Kantwurst” oder das geheime Privatleben der Schweizer Garde. Wahrlich ein Juwel ist auch seine politisch hochkorrekten Serie “Gelebte Integration” über die stets von merkwürdiger Nachbarschaft behelligte Diätassistentin Erna-Maria.
Was die Humormacher auf FM4 miteinander verbindet, bzw. was sie von anderen unterscheidet, bringt Votava auf den Punkt : “Ganz einfach : Wir sind die Leiwanden.”
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