Von Travnicek bis Hinterholz 8
„Das Nachschlagewerk und Lesebuch der österreichischen Kabarettszene seit 1945”
profil 05/2000
„Was Sie schon immer über das österreichische Kabarett wissen wollten, wird in diesem Buch umfassend beantwortet“, verheißt der Deckeltext Also z.B. : „Wie sieht Leo Lukas aus ?“ Und in dieser kurzen Frage steckt womöglich die grundlegende Crux des ganzen Unterfangens. Denn: Wer will wirklich wissen, wie Leo Lukas aussieht? Und das ist weder boshaft, noch pointiert gemeint. Kann es gar nicht, weil ein Pointe laut des bisweilen unfreiwillig komischen Stichwort-Verzeichnisses im Anhang „ein überraschender Höhepunkt und Abschluss“ ist – also irgendetwas mit dem männlichen Geschlechtsakt zu tun haben muss (wie diese Definition von einem Berufshumoristen interpretiert wurde). Gibt es nicht weitaus mehr Personen, die über die Physiognomie von Leo Lukas informiert sind, ohne dass diese Bereicherung ein besonderes Bedürfnis gestillt hätte ?
Anders gefragt : Für wen ist dieses Lexikon gedacht ? Für jene breite Öffentlichkeit, die bei der Lektüre erstaunt ausrufen könnte: „Bitte, gib dir das: Dem Heinzl seine Programme hat alle der Orthofer geschrieben!“ Schwer vorstellbar. Also wohl doch eher für den vorgebildeten Kabarett-Interessenten, dem die gebündelten Lebensläufe als handliches, wissensvertiefendes Nachschlagewerk dienen sollen. Doch ein Lexikon über ein derartig lebendiges Metier kann zwangsläufig bereits zum Zeitpunkt seines Erscheinens nur in seinen historischen Passagen auf dem letzten Stand sein. Das wegen seiner täglichen Aktualisierbarkeit weitaus geeignetere – und zu diesem Zweck auch bereits umfassend genutzte – Medium „Internet“ wird von der Autorin Iris Fink konsequent ignoriert. Was natürlich einer gewissen Logik nicht entbehrt: Wer dieses Buch benötigt, hat keinen Zugang zum www – und kann daher auch auf ein Verzeichnis der Links verzichten.
Besondere Beachtung schenkt Iris Fink der Grazer Kabarett-Szene. Geht in Ordnung: Über die hat sie schließlich vor fünf Jahren ihre Dissertation geschrieben. Etwas ins Zwielicht gerät das als weitgehend unkritische Auflistung konzipierte Kompendium allerdings dann doch: nämlich durch die „ohne Anspruch auf Vollständigkeit“ getroffene Künstler-Auswahl. Dass einer, entschuldigen, völlig unerheblichen Formation wie „Filius & Wlach“ ebensoviel Platz eingeräumt wird wie z.B. der richtungsweisenden Gruppe „Schlabarett“, und dass im wie dafür geschaffenen Kapitel „Medienkabarett“ der von „Stermann & Grissemann“ seit zehn Jahren betriebene „Salon Helga“ gerade einmal mit zwölf Worten („Projekt X“ mit keinem einzigen) Erwähnung findet, fördert nicht das Vertrauen in die Relevanz der Abhandlungen über jene, deren Namen einem bislang nur Wenig oder Nichts sagten.
Iris Fink: „Von Travnicek bis Hinterholz 8“, Verlag Styria, ÖS 291,-
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